Insgesamt 16 Schülerinnen und Schüler nahmen am Vorbereitungskurs der Philosophie Olympiade teil. Nach intensiven Tagen in Lech, wo wir drei Tage den Vorträgen und Diskussionen lauschen durften, nach vielen weiteren Stunden in den exklusiven Räumlichkeiten unserer Bibliothek, sahen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmerschließlich vier anspruchsvollen Themen gegenüber. Ein philosophischer Essay war zu schreiben, der den folgenden Kriterien entsprechen sollte: Das Thema muss gut getroffen werden, die Argumente müssen logisch und überzeugend sein, philosophisches Wissen darf nicht fehlen, und schließlich sollte er auch noch kreativ sein.
Beim Finale schließlich konnte sich Iris Bachmann, 8c, mit diesem Essay für das Finale in Salzburg qualifieren. Wir gratulieren ihr herzlich!
„Haben demente Menschen ein Recht auf Würde? Manche Demenzpatienten scheinen, vor allem im letzten Krankheitsstadium, jede Fähigkeit verloren zu haben unwürdige Bedingungen zu erkennen oder darunter zu leiden. Haben sie dennoch ein solches Recht? Oder ist unsere Besorgnis um ihre Würde unter diesen Umständen nur eine Form von Sentimentalität, die wir uns nicht leisten können oder nicht leisten sollten?“
Wodurch verdient sich unsereins seine Würde? Die sogenannte und allbekannte Menschenwürde. Die Würde, die über unser ganzes Leben, über unser Sterben und auch sonst über gar alle Lebensbereiche herrscht. Immer gibt es eine Begründung oder gar mehrere, wieso, warum, weshalb etwas in unserer Gesellschaft so gehandhabt wird, wie es eben der Brauch ist. Der Mensch braucht seine Gründe. Ein Mensch ohne Gründe ist auf Dauer doch einfach kein Mensch. Eine Zeit lang kann jeder von uns ohne Gründe existieren und das Fehlen dieser einfach ignorieren. Doch nach einiger Zeit nagt diese bedingungslose Grundlosigkeit an uns. Sie macht uns zu schaffen. Sie bringt uns zum Nachdenken. Und so sehr wir es doch versuchen, wir bekommen sie einfach nicht aus unserem Kopf: Die Gründe.
In diesem Fall werden wir als Begründung, wieso demente Menschen ein Recht auf Würde haben, lediglich antworten: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Nichts und niemand kann und darf diese Würde verletzen, außer Kraft setzen oder gar ignorieren.
Deshalb lautet die Frage, ab wann und bis wann ein Mensch diese Würde hat. Ab wann ist ein Mensch ein Mensch und hat somit die unantastbare Würde eines Menschen? Hat ein nicht lebensfähiger Zellhaufen im Leibe der Mutter etwa schon Würde? Kann man bei einem Embryo von einem Menschen sprechen? Laut Gesetz schon, in der Realität eher nicht. Abtreibung in Österreich ist zwar eigentlich illegal, wird aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche nicht geahndet. Das Gesetz hat entschieden. Menschenwürde hin oder her. Embryo futsch.
Embryo also kein Mensch? Fötus ein Mensch? Baby ein Mensch? Dementer Mensch (noch) ein Mensch? Mit der Frage, wann ein Mensch ein Mensch ist, ab wann ein Mensch seine Würde erlangt hat, ja mit dieser Frage beschäftigen sie sich alle. Doch kann ein Mensch seine Würde verlieren? Kann ein Mensch die doch so unantastbare Menschenwürde durch irgendwelche noch so grausamen Gräueltaten verlieren?
Jeder Mensch hat seine Grenze an Belastbarkeit und doch glaube ich, dass es wenige Menschen gibt, die einem solchen Menschen wie Adolf Hitler auch nur ein Fünkchen Menschlichkeit oder gar Menschenwürde zusprechen würden. Bei dementen Personen jedoch fällt es uns viel schwerer, dies zu verneinen, schließlich sind es zumeist Menschen, die uns emotional sehr nahe stehen und gehen. Menschen, die wir mit einer gar unvergleichlichen Sensibilität behandeln.
Sollte man einen Menschen von einem unwürdigen Leben befreien dürfen? Vom In-die-Windeln-Scheißen, der Orientierungslosigkeit, der Angst, Verstörung, all dem Schmerz? Dem Schmerz zu wissen, dass man ist. Aber nicht mehr weiß, wer man ist. Nicht mehr zu wissen, wo man ist. Nicht mehr zu wissen, was man gerade machen wollte und mit wem. Zu vergessen, was man gerade gesagt hat. Sich zu wiederholen. Stehen zu bleiben. Festzusitzen. Sich nicht mehr fortbewegen zu können. Was will man dann noch vom Leben? Darauf warten, dass die Demenz so weit fortgeschritten ist, dass ich nicht mal mehr merke, dass ich dement bin?
Ist das etwa befriedigender als einfach loslassen zu können? Sagen zu können, dass man gelebt hat. Und dass man im Himmel weiterleben wird. Gibt es etwas Entwürdigenderes als etwa gar so ein Leben führen zu müssen? Ein Leben, an das man sich nicht einmal mehr erinnert. Ein Leben ohne Sinn und ohne Bedeutung. Naja, zumindest vergisst man das. Behandelt zu werden wie ein Kleinkind, zurecht gewiesen zu werden wie ein Kind, orientierungslos zu sein wie ein Teenager, Sorgen zu haben wie ein Erwachsener und den Körper eines Greises zu haben?
Sterbehilfe erscheint einem nahezu als eine Art Erlösung im Vergleich zu einem solchen Leben. Es halten schließlich nicht die ohnehin dementen Menschen an ihrem Leben fest, sondern wenn, dann die Angehörigen und Bekannten. Weil sie noch einen Funken sehen. Einen Funken an Menschlichkeit, einen Funken der Person, die man mal gekannt hat und die einem mal wichtig war. Doch dies ist nur noch die leere Hülle dessen, was einmal ein Mensch mit Gefühlen, Ängsten, Sorgen und allem sonstigen, was zum Mensch-Sein dazugehört war. Die Persönlichkeit, Charakter, Träume, Vorlieben, Schwächen und Stärken. Alles verloren gegangen. Nur mehr schwammig vorhanden. Diese Menschen leben schon lange nicht mehr. Sie existieren lediglich noch. Während ihr Gehirn langsam den Geist aufgibt, lebt ihr Körper in seiner vollkommenen Sterblichkeit weiter. Und sie werden leben. Leben müssen. Bis ans Ende ihrer Zeit.
Iris Bachmann, 8c